Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui
von Bertolt Brecht
Ihr aber lernet, wie man sieht, statt stiert. […] Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.
Prophetisch erscheinen uns diese Sätze, gilt es doch gerade heute hinzusehen, zu differenzieren, statt den verlockenden, einfachen Antworten nachzulaufen. Brechts satirische Parabel über Hitlers Machtergreifung entsteht 1941 im finnischen Exil, wird zunächst kontrovers aufgenommen und kommt erst 1958 nach Brechts Tod zur Uraufführung. Durch den Kunstgriff, die Fabel im Gangstermillieu Chicagos anzusiedeln, gelingt es Brecht, die vermeintlich großen politischen Verbrecher als Menschen zu entlarven, die große politische Verbrechen verüben. Er gibt sie der Lächerlichkeit preis, nicht etwa um ihre Taten zu verharmlosen, sondern um die Täter zu entmystifizieren. So weist die Hauptfigur, neben den klaren Bezügen zu Hitler, Ähnlichkeiten mit der Unterweltgröße Al Capone auf. Weitere Namensverwandtschaften zu historischen Figuren durchziehen das gesamte Stück. Doch trotz der offensichtlich historischen Bezüge rückt Brecht Personen, Orte und Handlungen in die Ferne und gibt ihnen damit zeitlose Allgemeingültigkeit. Die Verhüllung dient hier der Enthüllung von gesellschaftlichen Mechanismen, die sich zu wiederholen scheinen aufhaltsam sind und doch nicht aufgehalten werden. Brechts Parabel zeigt die erschreckende Einfachheit, mit der Arturo Ui, unter Ausnutzung einer wirtschaftlichen Krise, von einem Niemand zum Chef eines Wirtschaftsimperiums wird. Er lässt sich von einem Schauspieler rhetorischen Unterricht geben, besticht und betrügt bis er an Einfluss gewinnt. Mit Hilfe seiner Schlägertrupps schüchtert er die Konkurrenz ein. Die Kombination aus Gewalt und Demagogie bringt ihn schließlich ganz an die Spitze. Wie bereits in seiner Parabel »Die Rundköpfe und die Spitzköpfe« deutet Brecht in »Arturo Ui« den Faschismus als Fortsetzung des Kapitalismus mit anderen Mitteln. Erschreckend aktuell wirkt der Stoff angesichts neuer Hetzreden nach altem Muster, die in virtuellen und realen Räumen ihr Publikum finden. »Arturo Ui« ist ein Stück über die Verführbarkeit des Menschen zu einem Zeitpunkt, da faschistisches Denken in Deutschland und Europa wieder eine Stimme hat.