Furcht und Ekel. Das Privatleben glücklicher Leute

von Dirk Laucke
1945 wurde Bertolt Brechts Theaterstück »Furcht und Elend des Dritten Reiches« in den USA uraufgeführt. Brecht zeichnete in 30 Einzelszenen ein Panorama des Lebens im Nationalsozialismus. Er beschrieb den geistigen Nährboden, die Verwurzelung des Systems im Einzelnen, er illustrierte Hass und Antisemitismus, Verblendung und feiges Wegducken anhand von persönlichen Schicksalen.

Nicht zufällig wählt daher der junge hallenser Autor Dirk Laucke den Titel seiner 2014 uraufgeführten theatralen Bestandsaufnahme.
Basierend auf Recherchen, Augenzeugenberichten und Nachrichten- meldungen entwirft er einen Überblick über die Kontinuitäten rechten Denkens in der deutschen Gesellschaft. Schonungslos notiert er Sprache und Motive aus den dunkelsten und intellektuell provinziellsten Bereichen unseres Zusammenlebens. In 22 Szenen porträtiert er eben nicht nur Danny, Rille und Micha, die prolligen Nazis aus Sachsen-Anhalt, sondern zielt auch auf das aufgeklärte Selbstbild einer Mittelschicht, legt filigran ewig gestrige Argumentationsmuster und gedankliche Abartigkeiten von Würdenträgern, Lehrern und Theatermachern frei. Er beschreibt den scheiternden Versuch, eine Gegendemonstration zu einem Nazifackelzug zu mobilisieren, blickt einer engagierten Journalistin über die Schulter und beobachtet die Ängste und Selbstzweifel eines Elternpaares, dessen Tochter ins Milieu abgerutscht ist. Warum finden Antisemitismus, Antiziganismus und Fremdenfeindlichkeit immer wieder geistige Nahrung und Aktionsraum in der deutschen Gesellschaft? Laucke konfrontiert uns mit unseren eigenen Bildern und Vorstellungen von Gemeinsamkeit und Herkunft. Angesichts brennender Asylunterkünfte, gewalttätiger Übergriffe, Pöbeleien und Parolen eines »besorgten« Mobs, gibt uns auch »Furcht und Ekel« den Anstoß, aktiv zu werden. Wie können wir den Hetzern begegnen? Wie den Vorurteilen und Angstreaktionen in uns selbst entgegentreten? Wie konstruktiv diskutieren, mit Verwandten, Nachbarn und Arbeitskollegen? Und wann werfen wir den braunen Dreck endlich und endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte?

Hessisches Landestheater Marburg