Nora oder ein Puppenheim
nach Henrik Ibsen. Deutsch von Angelika Gundlach. In einer Fassung von Laura N. Junghans.
Nora, Ehefrau und Mutter, geht es vermeintlich gut. Sie tut alles, um ihre Familie und deren Frieden zu schützen – auch wenn das bedeutet, ein kleines Geheimnis bewahren zu müssen. Als ihr Mann den Angestellten Krogstad entlassen will, bedroht Noras Verschwiegenheit plötzlich die Familienidylle. Auch wenn sich am Ende alle Verstrickungen auflösen, hat sich doch eine Sache grundlegend verändert: Nora erkennt, dass sie für ihren Mann lediglich ein schönes Spielzeug ist. Damit kann und will sie sich nicht zufrieden geben und verlässt türenknallend ihr Puppenheim.
Noras Türknall am Ende des Stückes hat Theatergeschichte geschrieben. Das Verlassen der Kinder und des Ehemanns, das Sprengen der bisherigen Ordnung sorgte für einen großen Aufruhr im Publikum. Doch so sehr sich die Zeit geändert hat, dieser Akt der Emanzipation, das Brechen der Konventionen und damit das In-Frage-Stellen der gesellschaftlichen Normative durch diesen Türknall bleibt brandaktuell.
Denn NORA ODER EIN PUPPENHEIM beschreibt Abhängigkeitsverhältnisse. Solche, die es in unserer Gesellschaft gibt, aber auch solche, die im Theater vorzufinden sind. Denn obwohl sich der Theaterbetrieb inhaltlich und formal weiterentwickelt, werden Machtstrukturen wieder und wieder reproduziert. Ob es die Position des alleinherrschenden Intendanten ist, der unbefragt alle Macht und Gewalt in sich vereint oder die nach wie vor hauptsächlich männlichen Regisseure, die auf den großen Bühnen inszenieren und somit kaum Raum für weibliche Erzählperspektiven lassen. Auch jetzt profitiert der (weiße, heterosexuelle) Mann, wie Studien beschreiben, immer noch von seiner historisch, sozio-kulturell angeeigneten Deutungshoheit, gestützt und geschützt von einem Mythos: „Der Mann das Genie“, das Zentrum, um das herum alles funktionieren muss. Er ist es, der Bedeutung zuweist. Er ist es, der deutet. Er ist es, der gestaltet und inszeniert. Sein Name ist Torvald und er ist es, der seine Frau Nora zum Objekt macht, denn zur gleichberechtigten Partnerin.
Und sie, Nora, ist sie tatsächlich (s)ein Objekt, das „Püppchen“? Oder spielt sie etwas vor? Und wenn sie es bloß spielt – diese Ehefrau, diese Mutter, diese „Nora“ – woher weiß sie dann, wie sie zu sein hat? Und wenn es doch bloß eine „Rolle“ ist, ist es vielleicht sogar eine Rolle, die jede*r spielen kann? Doch eben auch eine dieser Rollen, die sich einschreibt in die Körper, die man schwerlich abstreifen kann. Die „Nora“, die im Stück gefangen ist und in sich selbst. Die „Nora“, die sich zu befreien versucht, Schicht um Schicht und die mehr als nur eine Rolle ist und eine Frau, die türenknallend ihr Puppenheim verlässt.
Für alle Menschen ab 15 Jahren, die nicht nur eine Realität für möglich halten. Für alle, die sich emanzipieren und davon überzeugen lassen wollen, dass sie nicht ohnmächtig sind, etwas in ihrem Leben zu verändern.