Wütend und laut!
Ruhig verharren vier Gestalten auf der düsteren Bühne. Bei Auftritten des russischen Protestkunst-Kollektivs Pussy Riot ist nie klar, was im Laufe der Show so passiert. Mit einem lauten Schrei geht am Abend des 1. Advent ein Ruck durch den gut gefüllten Saal des KFZ und die Aufführung erwischt die Zuschauer mit voller Wucht.
Regungslos steht Maria Alyokhina mit grimmigem Blick und geballter Faust am Mikro. Sie ist aufgebracht! Die Show ist eine Mischung aus Konzert und Performance. Harter Elektro-Punk und Theaterszenen wechseln sich ab. In einer Mischung aus Russisch und Englisch berichten Alyokhina, Kyril Masheka sowie Nastya und Max des Musikduos AWOTT über die Ereignisse und Reaktionen des russischen Staates auf die wohl bekannteste Aktion von Pussy Riot.
Die 2011 gegründete Gruppe erlangte globale Berühmtheit, als in Moskau fünf Mitglieder in einer Guerilla-Punk-Aufführung in der Kathedrale von Christus dem Erlöser ihren Protest gegen die Unterstützung des Wahlkampfes von Wladimir Putin durch die orthodoxen Kirchenführer. Als Reaktion auf ihr Punk-Gebet wurden die Mitglieder verhaftet und verurteilt. Bestrafung der Aktivistinnen fiel hart aus, um andere abzuschrecken. Alyokhina und Nadeschda Tolokonnikowa, die bei der Aktion ebenfalls Mitglied bei Pussy Riot war, verbüßten zwei Jahre Haft im Gefangenenlager wegen Rowdytums aus religiösem Hass, wo sie Misshandlung, Demütigung und sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren. Nach zwei Jahren wurden sie vorzeitig entlassen.
Immer exzessiver steigern Pussy Riot sich in ihrer Show, es wird stetig lauter, und wütender. Gebannt verfolgen die Zuschauer die wilde Performance. Im Hintergrund laufen flackernde Videosequenzen mit vielen Anspielungen auf Staat und die Kirche, häufig tauchen Bilder des russischen Präsidenten auf. „Mutter Gottes, jage Putin davon“, schreien sie wild tanzend in die Welt, nachdem sie sich ihre charakteristischen Strumpfmasken über die Köpfe gezogen haben. Nach gut einer Stunde ist die Geschichte erzählt, die Bühne verwüstet und die ersten Reihen im Zuschauerraum nass.
Nach dem Auftritt wirbt Alyokhina unter großem Beifall noch für die Unterstützung anderer Inhaftierter und Angeklagter Aktivisten in Russland. Die Band hilft mit einem Teil ihrer Einnahmen, indem sie beispielsweise Anwälte finanziert. Schnauze halten ist nicht, als Reaktion auf jede Gängelung des Staates heißt es nur: Kampf für die Freiheit, jetzt noch lauter!