Ketil Bjørnstad – Hypnotiseur am Flügel

Er gehört zu den bedeutendsten Pianisten Norwegens. Mit großer Spannung erwartet das Marburger Publikum am Samstagabend Ketil Bjørnstad im großen Saal des Kulturladen KFZ, der bis auf den letzten Platz gefüllt ist.
Nach kurzer Begrüßung legt sich eine knisternde Stille über den Saal. Mit leisen Tönen beginnt Bjørnstad sein melodiöses Spiel. Die Kompositionen durchbrechen meist die zehn Minutengrenze, gekonnt verflechtet der stille Pianist Traditionen der europäischen Klassik mit zeitgenössischem Jazz. Gekonnt baut er bei jedem seiner Stücke einen ausgedehnten Spannungsbogen auf, dem die meisten Zuschauer fast andächtig lauschen, um keinen der teils filigranen Töne zu verpassen. Kunstvoll schafft Bjørnstad, tief inter seinem Flügel geduckt, eine kaum hörbare Melodie langsam in einen Sturm zu verwandeln.
In den über vier Jahrzehnten seines Schaffens hat der geschulte Konzertpianist mit vielen Jazzgrößen gespielt und über fünfzig Alben veröffentlicht. Er ist nicht nur musikalisch ein Wanderer zwischen den Welten, der von Jazzmagazinen gefeiert wird und genreübergreifend mit Musikern im Jazz- und Rockbereich gearbeitet hat. Bjørnstad ist auch Autor von zahlreichen Büchern. In Deutschland ist er mit seinen Romanbiografien über Edvard Munch und Edvard Grieg in den 90er Jahren bekannt geworden. Sein Roman Vindings Spiel schaffte es 2006 auf die Spiegel Bestellerliste.
Bjørnstad schafft es in seinen Stücken das Publikum über Minuten zu hypnotisieren. Seine teils melancholischen Kompositionen lässt er kaum hörbar ausklingen, indem er sanft über die Saiten im Innern des Flügels streicht, das nächsten Stück strotzt voller Freude über den nordischen Sommer und gipfelt in einem fulminanten Finale rasanter Melodien.
Völlig gebannt lauschen die Zuschauer dem leisen Verklingen des letzten Tones, erst dann löst sich die Spannung und ein tosender, fast erleichterter Applaus bricht aus der Menge heraus.
Bjørnstad ist zurecht ein gefeierter Meister und ein weiteres Glanzlicht in der Reihe 55°Nord im KFZ.

Ketil Bjørnstad